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Pressemitteilung des AJZ vom 30.08.2018

Das AJZ verurteilt die rechte Gewalt und die Instrumentalisierung des Todes von Daniel H. Unser Beileid gilt Angehörigen und Freund*innen. Die Dynamik der letzten Tage hat eine Geschichte: Verharmlosung von Nazis, Extremismustheorie und sächsische Zustände. Wir rufen dazu auf sich an antifaschistischen Protesten in den nächsten Tagen zu beteiligen.

Der AJZ e.V. ist geschockt und wütend, angesichts der seit Tagen in Chemnitz stattfindenden Hetzjagden und Hasstiraden gegen Migrant*innen und Antifaschist*innen durch verschiedene neonazistische, völkisch-nationalistische und rassistische Gruppierungen. Dass der tragische Tod von Daniel H. durch den rechten Mob in dieser Form instrumentalisiert wird, ist makaber und nicht hinzunehmen. Unser aufrichtiges Beileid gilt Angehörigen und Freund*innen von Daniel H., der bis vor einigen Jahren auch zu den Besuchern der Angebote des AJZ e.V. gehörte.

Die Verharmlosung von Nazis als "besorgte Bürger*innen und die Kriminalisierung von Antifaschist*innen als "Linksextreme" durch große Teile von Polizei, Medien und Politik, insbesondere in Sachsen, hat wesentlich mit zu den erschütternden Bildern der vergangenen Tage beigetragen. Insofern sind die derzeitigen Ereignisse in Chemnitz nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis einer Akzeptanz und Verharmlosung von rassistischen, autoritären und nationalistischen Entwicklungen auf politischer, legislativer und exekutiver Ebene, wohlwollend begleitet von Talkshows und der BILD-Zeitung. Wohin und wie weit das Problem reicht, zeigte zuletzt die Veröffentlichung und Verbreitung des Haftbefehls gegen einen Tatverdächtigen in den sozialen Netzwerken, offenbar mit dem Anspruch von Lynchjustiz. Langjährige lokale Aufklärungsarbeit durch verschiedene Vereine und Organisationen in der Stadt wird von solchen Entwicklungen angegriffen.

Wie viele alternative Zentren musste der AJZ e.V. in den vergangenen Jahren seine soziokulturelle und politische Bildungsarbeit gegen Extremismusverdacht legitimieren. Im Zusammenhang mit dem bei uns veranstalteten 2. Antifaschistischen Jugendkongress standen wir zuletzt 2017, im Anschluss an die Ereignisse beim „Festival der Demokratie“ in Hamburg, im Kreuzfeuer von Verfassungsschutz, Stadtverwaltung und Stadtpolitik. Initiiert übrigens von „Pro Chemnitz“, den Anmeldern der Demonstration am Montag, und unterstützt von AfD und Teilen der CDU-Stadtratsfraktion.

Antifaschistische Organisationen werden institutionell gegängelt und ihre Arbeit wird strukturell erschwert bzw. verhindert, während Pegida und AfD zu Gesprächsrunden eingeladen werden. Politiker*innen, vor allem der sächsischen CDU, werden nicht müde, rassistische und nationalistische Hasstiraden als berechtigte Äußerungen "besorgter Bürger" darzustellen und ihre politische Ausrichtung neu zu definieren. Statt sich inhaltlich klar antirassistisch zu positionieren, wird versucht, die "abtrünnigen" Wähler von der AfD durch einen verbal abgeminderten Rechtsaußenkurs wieder zurück ins Boot zu holen: Beispielsweise wenn Kretschmer an die Nazis von #c2608 appelliert, man dürfe doch nicht das Bild von Sachsen beschädigen. Ganz ähnliche Äußerungen gab es zum Pogrom von Rostock-Lichtenhagen vor 26 Jahren. In Folge dieses Pogroms - und so erlebten wir es in den letzten Jahren wieder - reagiert die Politik mit Verschärfungen des Asylrechts auf rassistische Forderungen. Doch die Nazis scheren sich nicht mehr um ein der CDU genehmes Bild von Sachsen. Sie wollen den Ausnahmezustand jetzt sofort und dafür gieren sie nach Anlässen. Das zeigte der Montagabend #c2708. Die in Sachsen maßgebliche Extremismustheorie sorgte für die Einordnung des Nazi-Krawalls: "Auseinandersetzungen von rechts und links". Wer darauf aufmerksam macht, wer die Verhältnisse in Sachsen kritisiert, ist Nestbeschmutzer. Das ist die zweite Seite von Kretschmers Appell: Bitte Bild nicht beschädigen, wir haben euch im Blick.

Die Ereignisse hier in der Stadt zeigen jedoch die Wichtigkeit einer kontinuierlichen und dezidiert antifaschistischen Kultur-, Jugend- und Präventionsarbeit, ebenso wie einer gesellschaftlichen und politischen Anerkennung des rechten Gefahrenpotentials, des rechten Terrors und dessen konsequente Strafverfolgung. Es ist absurd, dass in der Stadt, in der das Kerntrio des NSU untertauchte, betonen zu müssen.

Chemnitz ist, auch aufgrund der großen internationalen Presseresonanz, innerhalb weniger Tage zum Synonym für Fremdenhass und rechte Gewalt geworden. Welche Auswirkungen dies auf lange Sicht auf die Stadt und die Menschen, die hier leben, haben wird, ist nicht absehbar. Umso wichtiger ist es, zu zeigen, das Chemnitz auch eine andere Seite hat, die durch ein breites Bündnis aus Kultur, Politik und Jugend getragen wird.

Aus diesem Grund rufen wir dazu auf, sich am Samstag und darüber hinaus zahlreich an den Protestaktionen gegen die von Faschisten inszenierten „Trauermärsche“ zu beteiligen und zu zeigen, dass wir die Stadt nicht dem rechten Mob überlassen werden.

Antifaschismus, Antirassismus, die Forderung für Respekt, Akzeptanz und Solidarität - unabhängig von willkürlichen aber wirkmächtigen Kategorien zur Unterscheidung von Menschen - sind nicht nur eine Antwort auf diese Hetze und Gewalt. Sie sollten auch Grundsatz des Miteinanders in Chemnitz sein. Nutzt Eure Stimme dafür!

Aktuelle Informationen zu den Gegenaktionen und Veranstaltungen findet Ihr beim Bündnisses „Chemnitz Nazifrei“.
https://www.facebook.com/buendnis.frieden.toleranz

Alternatives Jugendzentrum Chemnitz
www.ajz-chemnitz.de

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