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Immer wieder Sachsen oder immer noch?! Das LfV-Sachsen deligitimiert aktiv demokratische Grundwerte.

Anfang 2019 erschien auf der Internetseite des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen ein kurzes Schreiben, welches sich mit der Verbreitung sogenannter „extremistischer“ Einstellungen in Liedtexten befasst. In Sachsen werden mehr als zehn Bands als „linksextremistisch“ aufgeführt und die Musiker*innen und Akteur*innen und ihr Kampf für eine gerechte Gesellschaft absichtsvoll delegitimiert.

So sind beispielsweise in den Bemerkungen des Verfassungsschutzberichtes bei Bands wie „One Step Ahead“, „Dr. Ulrich Undeutsch“ und „Endstation Chaos“ Vorwürfe zu deren Texte zu lesen, die Antirepression und Antifaschismus thematisieren. Richtig gelesen – es werden vom LfV Bands kriminalisiert, die sich gegen Faschismus aussprechen, indem sie ihn als das benennen, was er ist.

Der AJZ e.V. Chemnitz verankert in seinem Selbstverständnis klar antifaschistische und antirassistische Werte. Gleichzeitig sehen wir deren Selbstverständlichkeit zunehmend gefährdet und immer weniger als geteilte und gewollte gesellschaftliche Haltungen. Wir bekunden unsere Solidarität mit allen Menschen und Künstler*innen, die eine klare Stellung für eine freie Gesellschaft beziehen und möchten diesen eine Bühne und einen Freiraum bieten.

Die Aussagen des Verfassungsschutzes offenbaren ein auffälliges Ungleichgewicht in der Darstellungsform und Bewertung politischer Ausrichtungen, welche sich auf Annahmen der Extremismustheorie stützt. Diese Theorie, basierend auf dem Hufeisenmodell, konstatiert einen vermeintlich vorhandenen „demokratischen Konsens“ der „Mitte der Gesellschaft“ und deklariert alle davon abweichenden Einstellungen differenzierungslos als „extrem“ und „verfassungsfeindlich“. Ein Blick auf die vermeintlichen „Ränder der Gesellschaft“ offenbart sofort, dass diese weder vergleichbar noch gleichzusetzen sind. Zielstellungen, Werthaltungen und Mittel/Methoden unterscheiden sich signifikant. Insbesondere die Infragestellung von Antifaschismus als gesellschaftlicher Notwendigkeit und dessen Kriminalisierung sind im Kontext der derzeitigen politischen Entwicklungen absurd und ebnen der neue „Salonfähigkeit“ rassistischer und diskriminierender Einstellungen den Weg. Obwohl die Extremismustheorie seit vielen Jahren zuhöchst umstritten ist, wird sie sowohl in medialen Zusammenhängen und im politischen Diskurs, als auch in der Sozialwissenschaft und ihrer Praxis nach wie vor genutzt.

Die Pressesprecherin des AJZ, Franziska Baumgärtner, verweist auf die sächsischen Zustände, die einmal mehr und zunehmend deutlicher die verschrobene und gefährliche Normalität im „Frei“-Staat zeigen: „An diesen Argumentationslinien, die linke und rechte Gefahr gleichsetzt, hat sich seit Biedenkopfs ‚Auf dem rechten Auge blind“-Politik bis heute nichts geändert. So braucht man sich über die Dauer-Verharmlosung einer menschenverachtenden gesellschaftlichen Praxis nicht wundern.“

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) tritt als Sprachrohr einer vermeintlichen “demokratischen Mitte“ in Sachsen auf, ist jedoch teilweise personell selbst (unter anderem durch Verbindungen zu Burschenschaften sowie im Rahmen undurchsichtiger Einsätze von V-Männern im rechtsradikalen Milieu) ideologisch vorbelastet.[1]

Wir als AJZ Chemnitz sehen mit Fassungslosigkeit wie in einer Zeit rassistischer Hetzjagden, Hasstiraden, der Verharmlosung von NSU, NSC, Rechtem Plenum Chemnitz, Revolution Chemnitz und des öffentlichen Gedenkens an einen Hooligan, Nazi und Rassisten Verfassungschützer*innen ihren Fokus setzen.

So halten wir es mit einem Statement der Band Dr. Ulrich Undeutsch: »Wir finden es unsäglich, dass in einem Rechtsstaat, dessen Vorgängerregime den Holocaust an Millionen Menschen zu verantworten hat, eine staatliche Behörde, die den Schutz der Verfassung gewährleisten soll, Antifaschismus als Bedrohung wahrnimmt.«

Die bisherige Vorgehensweise und Arbeit des LfV steht unseres Erachtens aktuell in starkem Kontrast zur künstlerischen Freiheit der in Bezug genommenen Bands und stellt sich in Teilen als undemokratisch dar. In Anbetracht der Tatsache, dass das LfV in der Vergangenheit seiner inhaltlichen Arbeit nur ungenügend objektiv nachgekommen ist, plädieren wir für eine Änderung der politischen Sichtweisen sowie eine inhaltliche Neubewertung antifaschistischer Bestrebungen im Kontext demokratischer Grundwerte.

Quellen:

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[1] Gordian Meyer-Plath, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen war nicht nur in der Burschenschaft Machia Bonn mit eindeutig rechtsradikalen Bestrebungen aktiv, sondern war u.a. im Rahmen seiner Arbeit beim brandenburgischen Verfassungsschutz für den V-Mann Carsten Szczepanski alias „Piatto“ zuständig, der in die Chemnitzer „Blood & Honour“-Szene involviert war, just zu dem Zeitpunkt als das NSU-Trio dort untertauchte.

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