Untergrund war Strategie. Punk in der DDR mit Konzert Brechreiz 08/15
Untergrund war Strategie. Punk in der DDR / Multimediale Lesung mit Konzert Brechreiz 08/15
in der DDR wurden Menschen wegen ihres Musikgeschmacks und Äußeren wie Feinde behandelt. Ein Zeitzeuge berichtet. Mit einer Performance aus Erzählung, Lesung, Bildspots, Leidenschaft, Ton-Dokumenten, Präsentation von Original-Utensilien und Stasiakten sowie einem live Musiker präsentiert Geralf Pochop in einem Kulturprogramm die „intensivste Zeit“ seines Lebens als Punk in der DDR.
In seinem Buch „Untergrund war Strategie. Punk in der DDR: Zwischen Rebellion und Repression“ hat er diese Erlebnisse festgehalten. „Die Rolle als vermeintliche Feinde hatten wir Punks angenommen. Der Staat hatte uns über etliche Jahre wegen unseres Musikgeschmacks und unseres Äußeren wie Feinde behandelt. Diese Rolle hatten wir angenommen. Wir hatten uns stark politisiert und nutzten unsere schwer erkämpften Freiräume nicht mehr nur, um unser Lebensgefühl auszukosten, sondern bauten ein Netz aus komplett autonomen Strukturen auf. Wir fanden Wege, den Wehrdienst zu verweigern, unsere Meinung auch öffentlich zu sagen, und wir redeten, wie uns der Schnabel gewachsen war. Wir gingen nicht zur Wahl, weil wir diese nicht als solche anerkannten. Unserer Kompromisslosigkeit hatte der Staat nichts entgegenzusetzen.“ "Punk war das Beste, was uns in der DDR passieren konnte. Wir wurden diskriminiert, gejagt und willkürlich weggesperrt, trotzdem waren wir freier als alle anderen. Es war die intensivste Zeit meines Lebens"
Brechreiz 08/15
Punkband aus Sömmerda, 1986 bis 1988. Kurze Re-Union 1989.
Unter dem Eindruck der frühen und einflussreichen regionalen Punkband Schleim-Keim aus dem nahen Stotternheim, in deren Proberaum der blutjunge Metal-Fan Steffen (* 1968) und sein späterer Mitmusiker "Kermit" Anfang/Mitte der 1980er ein- und ausgingen, entstand im April 1985 das Fun&Punk-Projekt Pale Skull. 1986 kam es zur Umbenennung und musikalischen Umorientierung auf Deutschpunk. Da Schleim-Keim bereits seit 1982/83 im Fokus umfangreicher Observierung der DDR Staatssicherheit stand, wurde schnell auch Steffens Combo Zielobjekt, da man ihn der unerhörten Gründung eines SK-Fanclubs verdächtigte, dazu wurde sogar eine sogenannte "Operative Personenkontrolle" (OPK "Fan") eingeleitet. Selbst im schulischen Umfeld wurden gleich mehrere (gleichaltrige!) IM Informelle Mitarbeiter) auf ihn angesetzt. Brechreiz 08/15 löste sich jedoch nach einem Konzert am 4.Juni 1988 (der erste und einzige öffentliche Auftritt!) von selbst auf. Steffen und Andreas spielten danach kurzzeitig bei der Trashmetal-Band Wizard bevor es im Sommer 1989 noch einmal zu einigen erfolglosen Proben von Brechreiz 08/15 kam. Nach der "Wende" spielte Steffen Schölzel unter dem Namen Darkwave solo ein Tape mit eher düsteren Klängen ein, zudem entstand das sporadisch/chaotische Fun-Projekt Kollektiver Blutsturz, aus dem 2000 mit Kollektiver Brechreiz unter Hinzunahme des Gitarristen Klaus Ehrlich von den mittlerweile verblichenen Schleim-Keim (gleichzeitig Bruder von deren legendärem Sänger Dieter "Otze" Ehrlich) eine stabile Thüringer Punk-Institution hervorging.
Quelle: "Da wo der Blues wohnt: Thüringer Subkultur" von York Sauerbier, in: Galenza / Havemeister 1999, S.169ff.